(GMH/BDC) Es war ein historischer Tag, obwohl kein Kalender ihn verzeichnet. Mitte des 17. Jahrhunderts machte ein Pariser Gärtner auf den nährstoffreichen, verrotteten Resten seiner Melonenkulturen eine Entdeckung, die unser Leben bis heute beeinflusst. Pilze wuchsen dort, genauer gesagt Champignons. Wie waren sie dahin gekommen? Er erntete sie und sie ließen sich zu seiner Freude gut und teuer verkaufen. So eine Einnahmequelle dauerhaft haben, das wäre schön. Aber wie alle Menschen seiner Zeit glaubte auch er, Pilze entstünden durch Ausdünstungen der Erde. Da ließ sich wohl nichts machen oder vielleicht doch?
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Wider besseres Wissen grub er ein paar der Pilze mit dem angrenzenden Erdreich aus und verpflanzte sie, so wie man eine Pflanze umsetzt. Heute würde man sagen, er hat noch mehr von den Melonenresten mit Pilzmyzel, also einem Teil der Wurzeln beimpft. Das Wetter muss mitgespielt haben mit mäßiger Wärme und Feuchtigkeit. Vielleicht war er auch so klug, die Pilzflächen gut mit Wasser zu versorgen. Denn ohne das nötige Wasser wächst kein Champignon. Wie auch immer, das Experiment gelang. Die Pilze sprossen und die Champignonkultur war geboren. Rasch wurden sie zur königlichen Speise, die am Hofe Ludwigs XIV serviert wurde.
Seither sind rund 350 Jahre vergangen. Schon lange ist der Champignon nicht mehr für den König reserviert. Er ist erschwinglich für jedermann und bestimmt wie selbstverständlich unseren Speisezettel, ob als Champignonsuppe, Pilzomelett, als Begleiter für Jägerschnitzel oder als „champinones al ajillo“, als Knoblauch-Champignon nach aus dem Spanienurlaub mitgebrachtem Rezept.
Natürlich wurde die Champignonkultur seither perfektioniert, so dass der Pilz nun rund ums Jahr verfügbar ist. Genau betrachtet sind es aber immer noch ähnliche Bedingungen wie zur Zeit des Melonengärtners, unter denen die schmackhaften Gewächse angebaut werden. An die Stelle der Melonenreste ist ein nicht weniger humus- und nährstoffreiches Substrat aus frischen organischen Rohstoffen getreten. Gut gewässert und belüftet verwandeln sich die organischen Materialien in ein krümeliges schwarzes, nahrhaftes Substrat. Zum Abschluss dieser Entwicklung macht Hitze allen Krankheitserregern den Garaus, denn die feinen Pilzhyphen, die schlauchartigen Wurzeln, sind empfindlich. Vor allem Schimmelpilze würden sie rasch zusammenfallen lassen. Also muss das Substrat sauber sein, was die Hitze zuverlässig erledigt. Wer Champignons zubereitet, kann also getrost auf das Waschen verzichten. Falls Substratreste anhaften, reicht Abreiben mit einem Tuch oder Abbürsten. Wem das nicht ausreichend erscheint, der sollte die Pilze nur kurz unter fließendem Wasser abspülen. Sonst saugen sie sich mit Wasser voll und das Essen wird wässrig.
Aber zurück zu den Kulturbedingungen. Natürlich verpflanzt heute niemand mehr Champignons wie einen Blumentopf. Inzwischen sind Aufbau und Vermehrung der Pilze in all ihren Facetten bekannt. Sie leben unterirdisch als Wurzelgeflecht, als Myzel, das erstaunliche Ausmaße annehmen kann. Das was wir oberirdisch sehen, ist der Fruchtkörper. Er entwickelt sich nur, wenn die Bedingungen für die Sporen günstig sind, also wenn Temperatur und Feuchtigkeit stimmen. Nur dann besteht die Chance, dass der Wind sie an einen geeigneten Platz wirbelt, an dem sie keimen und als neuer Pilz heranwachsen können. Da sich die Wetterbedingungen rasch ändern, „schießen“ die Fruchtkörper förmlich aus dem Boden. Wer beim Champignon-Kauf nicht auf fest geschlossene Hüte mit rosafarbenen Lamellen besteht, sondern bereits geöffnete mit schokoladenfarbenen Lamellen und kräftigem Aroma bevorzugt, der sieht oft, dass das braune Sporenpulver bereits benachbarte Pilze und die Packung gefärbt hat. Ein hübsches Experiment ist es, den Hut eines reifen Pilzes mit der Lamellenseite nach unten auf ein weißes Blatt Papier zu legen. Ein paar Stunden später ruhen dunkelbraune Sporen als perfektes Spiegelbild der Lamellen auf dem Weiß.
Champignon-Züchter nutzen den Weg über die Vermehrung durch Sporen aber nur selten. Es dauert lange, bis aus Sporen ein erwachsener Pilz entstanden ist, der Fruchtkörper reifen lassen kann. Nur bei der Suche nach neuen, ertragreichen Sorten wird dieser Weg begangen. Sonst ist Vermehrung durch Myzelstückchen, also Teile der Champignonwurzeln, der schnellere und bessere Weg. Die Stückchen wachsen, auf ein steriles Nährmedium gesetzt, schnell weiter und bilden rasch so viel Masse, wie zur Beimpfung größerer Substratmengen nötig ist. Eingeweichte, stärkehaltige Getreidekörner sind ihre erste „feste Nahrung“. Sobald sie die Körner mit ihren Wurzeln durchzogen und umhüllt haben, werden sie als Pilzbrut bezeichnet. Mit ihr wird das in dicker Lage ausgebrachte Substrat beimpft. Geschützt unter einer Deckschicht, bei gleichmäßige Temperatur und Feuchtigkeit erobert das Myzel bald das nährstoffreiche Substrat. Rund drei Wochen nach der Impfung schieben sich bereits die ersten weißen oder brauen Köpfe empor und können geerntet werden.
Nur in einem Punkt weichen die heutigen Champignon-Anbauer von ihrem Vorfahren ab: Sie kultivieren nicht mehr im hellen Licht. Champignons brauchen keine Helligkeit, sie wachsen besser im Dunkeln.
Viele weitere interessante Anregungen und Informationen zu Champignons und anderer in Deutschland angebauter Speisepilze finden Sie auf der Website www.gesunde-pilze.de.